Zur Haftung des Frachtführers bei unterlassenem Hinweis auf evidentem Verpackungsmangel

OLG Stuttgart, Urteil vom 09.02.2011 – 3 U 173/10

Ein vorsatzgleiches Verschulden liegt vor, wenn der Verpackungsmangel für den Frachtführer bzw. dessen Leute oder Erfüllungsgehilfe evident gewesen ist mit der Folge, dass die Auftragsgeberin (Absenderin) hierauf hätte hingewiesen werden müssen.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

1. Die Berufung der Streithelferin gegen das Urteil der Vorsitzenden der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Heilbronn vom 09.07.2010 – 21 O 162/08 KfH -wird

z u r ü c k g e w i e s e n .

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens und der Nebenintervention trägt die Streithelferin.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 3.357,49 €.


Gründe

I.

1

Die Klägerin verlangt aus übergegangenem und abgetretenem Recht Schadensersatz von der Beklagten wegen eines Transportschadens.

2

Die Versicherungsnehmerin der Klägerin, die Firma Z GmbH, S (im Folgenden: Versicherungsnehmerin), beauftragte die Beklagte zu fixen Kosten mit dem Transport einer Maschine (Streuaggregat mit Schaltschrank, Rohgewicht 1.020 kg) im August 2007 von R zu ihrem Firmensitz nach S. Das Sendungsgut wurde vom Subunternehmer der Frachtführerin, der Firma Y GmbH & Co KG, der Rechtsvorgängerin der Streithelferin, am 21.08.2007 übernommen und am 22.08.2007 bei der Versicherungsnehmerin angeliefert. Zu den Maßen des Packstücks tragen die Parteien unterschiedlich vor. Während die Klägerin die Maße mit 320 x 160 x 200 cm (Länge x Breite x Höhe) angegeben hat, geht die Beklagte von 400 x 80 x 120 cm aus.

3

Wegen der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts, den Anträgen sowie dem Vorbringen der Parteien in erster Instanz wird auf das landgerichtliche Urteil vom 09.07.2010 Bezug genommen.

4

Mit diesem Urteil hat das Landgericht nach Einholung eines mündlichen Gutachtens beim Sachverständigen Dipl. Ing. (FH) X der auf Zahlung von 6.714,99 € nebst Zinsen gerichteten Klage zur Hälfte stattgegeben. Die Klägerin sei aktivlegitimiert. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei anzunehmen, dass die Palette, auf der sich die Sendung befunden habe, beim Be- bzw. Entladen vom Gabelstapler seitlich abgerutscht sei (vgl. Anlage K 5). Das Frachtgut sei unstreitig im Speditionssammelverkehr transportiert worden. Dabei werde grundsätzlich der Be- bzw. Entladevorgang über die hintere Öffnung des Lkws durchgeführt. Daher müsse das Packstück schmaler sein als das Innenmaß des Lkws mit 3,20 m. Das streitgegenständliche Ladegut habe wegen seiner Maße nur von der Seite aus verladen werden können. Die Versicherungsnehmerin der Klägerin habe nicht für eine sammelguttaugliche Verpackung des Frachtguts Sorge getragen. Wie aus den vom Sachverständigen vorgelegten Fotos zu entnehmen sei, habe das Ladegut rechts und links über die Längsbalken der Palette hinausgeragt. Darin sei ein gravierender, ins Auge springender Verpackungsmangel zu erblicken. Weil der Verpackungsmangel offensichtlich gewesen sei, treffe die Beklagte ein Mitverschulden gemäß § 254 Abs. 2 BGB. Diese habe bei einem Transport eines solch sperrigen Guts im Sammelladungsverkehr, welches rechts und links über die Längsbalken der Palette hinausreiche, die Versicherungsnehmerin vor der Durchführung des Transports hierauf aufmerksam machen müssen. Sowohl bei der Versicherungsnehmerin der Klägerin als auch bei der Beklagten liege ein qualifiziertes Verschulden vor. Die Mitverantwortung beider Seiten für den eingetretenen Schaden sei gleich hoch zu bewerten. Von der Klägerin sei durch das Privatgutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. (FH) X ein Schaden in Höhe von 6.416,29 € nachgewiesen worden, zusätzlich seien Sachverständigenkosten in Höhe von 298,70 € grundsätzlich erstattungsfähig. Daher belaufe sich der Gesamtschaden auf insgesamt 6.714,99 €, von dem die Beklagte die Hälfte auszugleichen habe.

5

Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Streithelferin der Beklagten, die nach wie vor die Abweisung der Klage erstrebt. Sie macht im Wesentlichen geltend, das Landgericht habe zutreffend das Vorliegen eines Verpackungsmangels erkannt, der vom Sachverständigen bestätigt worden sei. Dieser liege darin begründet, dass die Verpackung des Packstücks für einen mehrmaligen speditionellen Umschlag im Sammelladungsverkehr nicht geeignet gewesen sei. Das Frachtgut sei auf eine Sonderpalette gesetzt worden, deren Querbalken über die Breite des Sendungsgutes hinausgeragt hätten. Die Unterkonstruktion habe bedingt, dass das Packstück nur habe seitlich unterfahren werden können. Ein so verpacktes Gut müsse grundsätzlich per Gabelstapler seitlich auf den Lkw geladen bzw. entladen werden. Eine Platzierung quer auf dem Lkw sei nicht möglich, da die Breite des Lkws nur 2,50 m betrage. Zwar sei die Verpackung für eine Versendung im Direkttransport ausreichend gewesen. Einen Direkttransport habe die Versicherungsnehmerin der Klägerin zunächst auch bei der Beklagten bestellt (vgl. Anlage BB 1). Dieser habe aber nicht durchgeführt werden können, was der Versicherungsnehmerin der Klägerin auch mitgeteilt worden sei. Lediglich im Sammelladungsverkehr sei eine Zustellung am 22.08.2007 zu bewerkstelligen gewesen. Hiermit habe sich der Mitarbeiter der Versicherungsnehmerin ausdrücklich einverstanden erklärt. Unter diesen Umständen sei es die Aufgabe der Versicherungsnehmerin gewesen, das Frachtgut so zu verpacken, wie es für einen Sammelladungsverkehr erforderlich ist. Dies sei nicht der Fall gewesen.

6

Das Vorliegen eines Verpackungsmangels führe nach § 427 Abs. 1 Nr. 2 HGB zum Ausschluss der Haftung des Frachtführers. Gemäß § 427 Abs. 2 HGB werde vermutet, dass der Verpackungsmangel für den Eintritt des Schadens ursächlich war. Davon sei nach dem Sachverständigengutachten auch auszugehen. Ihr, der Streithelferin, bzw. ihrer Leute sei keine Pflichtverletzung vorzuwerfen. Insbesondere sei sie ihrer Hinweispflicht dadurch nachgekommen, dass der Versicherungsnehmerin der Klägerin mitgeteilt worden sei, dass ein Transport im Sammelladungsverkehr durchgeführt werde. Für den Lkw-Fahrer sei der Verpackungsmangel nicht evident gewesen. Das Frachtgut sei vom Absender auf den Lkw des abholenden Fahrers geladen worden, möglicherweise seitlich mit dem Gabelstapler, sodass hierbei keine Probleme aufgetreten seien. Der Schaden sei beim Umschlag der Ware mittels Hubfahrzeugen eingetreten. Erst recht fehle es an einem qualifizierten Verschulden. Die von der Versicherungsnehmerin der Klägerin ursprünglich gewünschte Ausführung als Direkttransport sei ihr nicht bekannt gewesen. Eine grobe Pflichtverletzung treffe allein die Versicherungsnehmerin der Klägerin. Dahinter müsse eine etwaige Pflichtverletzung auf Seiten der Frachtführerin oder deren Leute völlig zurücktreten.

7

Die Streithelferin stellt den Antrag:

8

Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Heilbronn vom 09.07.2010 – 21 O 162/08 KfH – wird die Klage abgewiesen.

9

Der Klägerin beantragt,

10

die Berufung zurückzuweisen.

11

Auf eine Berufungserwiderung hat die Klägerin verzichtet.

12

Der Senat hat im Termin vom 19.01.2011 den Sachverständigen Dipl. Ing. (FH) X ergänzend angehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung (Bl. 199/202 d.A.) verwiesen.

II.

13

Die gem. § 66 Abs. 2 ZPO und auch im übrigen zulässige Berufung der Streithelferin der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

14

Der Klägerin steht gem. §§ 459, 460, 425, 428, 429 und 435 HGB ein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte in Höhe von 3.357,49 € nebst Zinsen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.12.2008 zu.

1.

15

Die Aktivlegitimation der Klägerin ist gegeben. Die Klägerin hat den mit ihrer Versicherungsnehmerin geschlossenen Versicherungsvertrag in Kopie vorgelegt (Anlage K 14), wonach sämtliche Transportschäden über die Klägerin versichert sind. Wie aus den Anlagen K 8 und K 9 hervorgeht, wurden von der Versicherungsnehmerin auch die Schadensunterlagen an die Klägerin weitergeleitet. Dies genügt für eine konkludent erklärte Abtretung gemäß § 398 BGB (BGH TranspR 2006, 167). Außerdem hat die Klägerin nachgewiesen, dass von ihr der Schaden, der ihrer Versicherungsnehmerin entstanden ist, bereits ausgeglichen wurde (Anlage K 13). Daher findet § 67 VVG a.F. Anwendung. Die Aktivlegitimation wird von der Streithelferin der Beklagten im Berufungsrechtszug auch nicht mehr angegriffen.

2.

16

Zwischen der Versicherungsnehmerin der Klägerin und der Beklagten wurde als Vergütung ein bestimmter Betrag vereinbart, der die Kosten für die Beförderung eingeschlossen hat. Gemäß § 459 HGB haftet die Beklagte daher wie ein Frachtführer. Unstreitig wurde ferner das Frachtgut im Wege einer Sammelladung im Sinne von § 460 HGB transportiert, was ebenfalls zur Anwendbarkeit der §§ 407 ff HGB führt.

3.

17

Zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits ist unstreitig, dass die verfahrensgegenständliche Sendung in der Zeit von der Übernahme zur Beförderung (21.08.2007) bis zur Ablieferung bei der Empfängerin (22.08.2007) beschädigt worden ist mit der Folge, dass die Beklagte grundsätzlich zum Schadensersatz verpflichtet ist (§§ 425 Abs. 1, 428 HGB). Soweit die Streithelferin eine Beschädigung im Obhutszeitraum der Beklagten bzw. im Obhutszeitraum der Unterfrachtführerin bestritten hat, ist dies unerheblich, weil sie sich dadurch in unzulässiger Weise in Widerspruch zu den Erklärungen der Beklagten setzt (§§ 74, 67 ZPO).

4.

18

Den der Versicherungsnehmerin der Klägerin entstandenen Schaden hat der Gutachter Dipl. Ing. (FH) X im Gutachten vom 08.04.2008 (Anlage K 3) auf 6.416,29 € netto beziffert. Hinzuzurechnen sind die Sachverständigenkosten in Höhe von 298,70 € netto (vgl. Anlage K 4). Hieraus resultiert ein erstattungsfähiger Gesamtschaden in Höhe von 6.714,99 €. Gegen die Schadensschätzung, die das Landgericht seiner Entscheidung zugrundegelegt hat, wendet sich die Streithelferin im Berufungsverfahren nicht mehr.

19

Da sich der Schadensbetrag innerhalb der Haftungshöchstgrenze des § 431 HGB bewegt, kommt es grundsätzlich auf ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten oder ihrer Leute nicht an. Nach § 431 HGB ist die zu leistende Entschädigung wegen Verlust oder Beschädigung auf einen Betrag von 8,33 Rechnungseinheiten für jedes Kilogramm des Rohgewichts der Sendung begrenzt, wobei mit Sonderziehungsrechten des Internationalen Währungsfonds zu rechnen ist (§ 431 Abs. 4 S. 1 HGB). Am Tag der Übernahme des Gutes vom 21.08.2007 (§ 431 Abs. 4 S. 2 HGB) betrug der Gegenwert eines Sonderziehungsrechts 1,12947 € (vgl. dazu die im Internet verfügbaren Fachinformationen der Deutschen Transportversicherer im Transport-Informations-Service, TIS, abrufbar unter www.tis.gdv.de). Hieraus resultiert unter Berücksichtigung des Rohgewichts der Sendung von 1.020 kg ein gewichtsabhängiger Entschädigungsanspruch in Höhe von maximal 9.596,65 €, der die Klagforderung übersteigt.

20

Bei Anwendbarkeit der ADSp gilt nach Ziff. 23.1.2 ADSp die gleiche gewichtsabhängige Haftungsbegrenzung.

5.

21

Es liegt ein durch die Versicherungsnehmerin der Klägerin zu vertretender Verpackungsmangel vor, weshalb sich die Beklagte grundsätzlich auf einen Haftungsausschluss nach § 427 Abs. 1 Nr. 2 HGB berufen kann.

a)

22

Gemäß § 411 S. 1 HGB hat der Absender das Gut, soweit dessen Natur unter Berücksichtigung der vereinbarten Beförderung eine Verpackung erfordert, so zu verpacken, dass es vor Verlust oder Beschädigung geschützt ist und dass auch dem Frachtführer keine Schäden entstehen. Es obliegt grundsätzlich dem Absender, das Gut beförderungssicher zu laden, zu verstauen und zu befestigen (§ 412 Abs. 1 S. 1 HGB); der Frachtführer hat lediglich für die betriebssichere Verladung zu sorgen (§ 412 Abs. 1 S. 2 HGB).

23

Der Frachtführer hat den Verpackungsmangel voll zu beweisen (Koller, TranspR, 6. Aufl. 2007, § 411 HGB Rn. 9). Falls der Schaden durch mangelhafte Verpackung entstehen konnte, wird nach § 427 Abs. 2 HGB vermutet, dass der Verpackungsmangel für den Schaden kausal war. Daher hat der Frachtführer zusätzlich nur darzulegen und zu beweisen, dass die Verursachung des konkreten Schadens durch die von ihm nachgewiesene Unzulänglichkeit der Verpackung möglich ist (Koller, a.a.O., § 427 HGB Rn. 41; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 427 Rn. 3). Der Absender kann dann immer noch den Gegenbeweis führen, dass die Gefahr für den Schaden nicht ursächlich gewesen ist.

b)

24

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist hier von einem Verpackungsmangel auszugehen, der zu dem eingetretenen Schaden geführt haben kann.

25

Unstreitig wurde das Transportgut im Sammelladungsverkehr transportiert. Dazu war die Beklagte berechtigt (§ 460 HGB). Im Übrigen spricht der Inhalt der E-Mail vom 24.08.2007 (Anlage zum Protokoll vom 08.06.2010) der Mitarbeiterin P an ihre Kollegin B ebenso wie die Telefax-Bestellung der Versicherungsnehmerin der Klägerin (Bl. 184 d.A.) dafür, dass die Beklagte im Einvernehmen mit der Versicherungsnehmerin der Klägerin von der ursprünglich beauftragten Direktfahrt Abstand genommen und einen Sammeltransport durchgeführt hat. Jedenfalls wurde das Gegenteil von der Klägerin nicht nachgewiesen.

26

Unter diesen Umständen hätte die Ladung so verpackt werden müssen, dass sie sicher und zuverlässig im Wege einer Sammelladung hätte befördert werden können. Da im Sammelladungsverkehr üblicherweise der Transport-Lkw von hinten be- bzw. entladen wird, wie der Sachverständige Dipl. Ing. (FH) X überzeugend im Termin vom 08.06.2010 ausgeführt hat (S. 2 des Protokolls), hätte das Frachtgut so verpackt werden müssen, dass eine Be- bzw. Entladung auf diese Weise gefahrlos möglich ist. Dies wurde von der Versicherungsnehmerin der Klägerin jedoch versäumt. Denn in Anbetracht der Breite des Lkws von maximal 2,50 m (die im landgerichtlichen Urteil auf S. 6 erwähnten 3,20 m beruhen auf einem Irrtum) konnte das Packstück mit einer Länge von mindestens 3,20 m über die Rückseite des Lkw nur in Längsrichtung sicher be- bzw. entladen werden. Hierfür war die Palette, auf die das streitgegenständliche Frachtgut gespannt war, aber nicht geeignet. Die fragliche Palette, die von der Versicherungsnehmerin der Klägerin verwendet worden ist, ließ sich nämlich nur in Querrichtung unproblematisch mit dem Gabelstapler anheben, sodass nur eine gefahrlose Beladung von der Seite aus möglich gewesen ist, wie der Sachverständige weiter nachvollziehbar dargelegt hat (S. 2 des Protokolls vom 08.06.2010). Hierin ist ein Verpackungsmangel zu erblicken. Den entsprechenden Verpackungsmangel hat die Klägerin im Schriftsatz vom 28.06.2010 (Bl. 153 d.A.) eingeräumt.

27

Erst recht gilt dies dann, falls die von der Klägerin mitgeteilten Maße des Packstücks unzutreffend sein sollten. Die Beklagte hat dessen Maße mit 400 x 80 x 140 cm angegeben. Dies steht zwar im Widerspruch zu den Eintragungen im Frachtbrief (Anlage K 1) und im Lieferschein (vgl. Anlage K 3), dürfte aber trotzdem richtig sein. Der Sachverständige Dipl. Ing. (FH) X geht von einer geringeren Breite als 1,60 m aus (S. 2 des Protokolls vom 08.06.2010 und S. 3 des Protokolls vom 19.01.2011). Letztlich kann dies aber offen bleiben.

28

Hinsichtlich der Ursächlichkeit des Verpackungsmangels für den eingetretenen Schaden kann sich die Beklagte auf die Vermutung des § 427 Abs. 2 HGB stützen. Die für eine Verladung in Längsrichtung nicht geeignete Palette kann ein seitliches Abrutschen der Sendung vom Hubfahrzeug begünstigt haben. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dipl. Ing. (FH) X ist anzunehmen, dass das Transportgut mit der Palette zur Seite abgerutscht ist (vgl. Anlagen K 3 und K 5).

29

Von der Klägerin wurde zwar im erstinstanzlichen Verfahren behauptet, dass eine andere Verpackung den Schadenseintritt nicht verhindert hätte. Insoweit hat sich die Klägerin auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens berufen (Bl. 56 d.A.). Diesen Nachweis vermochte die Klägerin aber nicht zu führen. Wie vom Sachverständigen Dipl. Ing. (FH) X nämlich weiter zu erfahren war, hätte eine andere Palette verwendet werden können, mit der das Frachtgut auch in Längsrichtung mittels eines Gabelstaplers mit langen Zinken hätte angehoben werden können und mit der eine Beladung über das Heck des Lkws möglich gewesen wäre (S. 2 des Protokolls vom 08.06.2010). Dass das Frachtgut, wäre es auf eine solche Palette verpackt worden, auch seitlich abgerutscht wäre, lässt sich nicht mit der notwendigen Gewissheit belegen. Es liegt im Gegenteil auf der Hand, dass eine für eine Verladung in Längsrichtung taugliche Palette das Risiko eines Herunterfallens vom Gabelstapler merklich reduziert hätte.

6.

30

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist mit dem Landgericht ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten oder der Streithelferin im Sinne von § 435 HGB zu bejahen.

a)

31

Nach der Rechtsprechung des BGH ist grundsätzlich der Anspruchsteller gehalten, die Voraussetzungen für den Wegfall der zu Gunsten des Frachtführers bestehenden gesetzlichen oder vertraglichen Haftungsbegrenzungen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Danach trägt er die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Frachtführer oder seine Leute vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein gehandelt haben, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde (BGH TranspR 2008, 113; BGH TranspR 2006, 348). Die dem Anspruchsteller obliegende Darlegungs- und Beweislast kann jedoch dadurch gemildert werden, dass der Frachtführer angesichts des unterschiedlichen Informationsstands der Vertragsparteien nach Treu und Glauben gehalten ist, soweit möglich und zumutbar, zu den näheren Umständen des Schadensfalls eingehend vorzutragen. Insbesondere hat er substantiiert darzulegen, welche Sorgfalt er konkret aufgewendet hat. Kommt er dem nicht nach, kann daraus nach den Umständen des Einzelfalles der Schluss auf ein qualifiziertes Verschulden gerechtfertigt sein (BGH TranspR 2006, 348; BGH TranspR 2003, 467).

32

Diese zum Verlust von Transportgut entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze sind jedoch nicht ohne weiteres auf während des Transports eingetretene Sachschäden übertragbar (BGH TranspR 2004, 175). Daher hat der Geschädigte Anhaltspunkte dafür vorzutragen, die darauf schließen lassen, dass der Schaden auf ein qualifiziertes Verschulden zurückzuführen ist. Diese können sich etwa aus der Art und dem Ausmaß der Beschädigung des Gutes ergeben. Da nur der Frachtführer Angaben zu den näheren Umständen der Schadensentstehung machen kann, muss er sich auf diesen Vortrag einlassen und mitteilen, welche Kenntnisse er über den konkreten Schadensverlauf hat und welche Schadensursachen er ermitteln konnte. Ihn trifft mithin eine Recherchepflicht. Kann der Frachtführer trotz angemessener Nachforschungen keine Angaben zur Schadensentstehung machen, kann daraus nicht die Vermutung für das Vorliegen der Voraussetzungen eines qualifizierten Verschuldens hergeleitet werden. Der Ersatzberechtigte bleibt in einem solchen Fall für das Vorliegen der Voraussetzungen eines qualifizierten Verschuldens des Transporteurs oder seiner Leute beweisfällig (BGH TranspR 2008, 30; BGH TranspR 2006, 390).

b)

33

Vor diesem rechtlichen Hintergrund teilt der Senat die Ansicht des Erstgerichts zum qualifizierten Verschulden der Beklagten oder ihrer Leute bzw. Erfüllungsgehilfen.

34

Zwar kann insoweit nicht darauf abgestellt werden, dass das Transportgut bei einem Verladevorgang in Längsrichtung nicht durch ein Hubfahrzeug mit extra langen Zinken angehoben bzw. abgesenkt worden ist. Denn die hier in Rede stehende Palette konnte in Längsrichtung gar nicht unterfahren werden, da ein kurzer Balken im Weg war, wie der Sachverständige anschaulich anhand der Lichtbilder Bl. 143 d.A. verdeutlicht hat (S. 3 des Protokolls vom 19.01.2011).

35

Ein vorsatzgleiches Verschulden resultiert aber daraus, dass der Verpackungsmangel für die Beklagte bzw. deren Leute oder Erfüllungsgehilfen evident gewesen ist mit der Folge, dass die Versicherungsnehmerin der Klägerin hierauf hätte hingewiesen werden müssen. Nach herrschender Meinung ist der Frachtführer verpflichtet, den Absender auf positiv erkannte oder evidente Verpackungsmängel aufmerksam zu machen (OLG Hamburg VersR 1970, 51; OLG München TranspR 1992, 185; Koller, a.a.O., § 411 HGB Rn. 17). Dass ein Transportgut mit 4 m Länge, das auf einem normalen Hubfahrzeug in Querrichtung befördert wird, besonders sturzgefährdet ist, weil es weit links und rechts über die Zinken hinausragt, ist für jeden, der mit solchen Frachtstücken umzugehen hat, ohne weiteres erkennbar. Die diesbezügliche Einschätzung des Gutachters zur Evidenz macht sich der Senat zu Eigen. Dipl. Ing. (FH) X hat dazu erläutert, dass die Palette in das Transportfahrzeug hineingedreht werden musste, was einen Balanceakt dargestellt habe. Dass die „Jongliererei“ besonders gefahrträchtig gewesen sei, habe sich aufgedrängt (S. 3 des Protokolls vom 19.01.2011). Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass sich die Beklagte bzw. ihr Erfüllungsgehilfe in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen der Versicherungsnehmerin hinweggesetzt hat. Gleichzeitig rechtfertigt die Evidenz den Schluss auf das Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Es hätte auf die Verwendung einer anderen Palette hingewirkt oder aber von der Beförderung des Transportguts im Sammelladungsverkehr Abstand genommen werden müssen.

36

Rechtsfolge von § 435 HGB ist, dass sich die Beklagte auf einen Haftungsausschluss nach § 427 Abs. 1 Nr. 2 HGB nicht mehr berufen kann.

7.

37

Die vom Landgericht angestellten Erwägungen zum Mitverschulden der Klägerin und zu einer Haftungsteilung nach §§ 425 Abs. 2, 254 HGB sind zutreffend.

38

Der Einwand der Mitverursachung bleibt grundsätzlich auch im Anwendungsbereich von § 435 HGB unberührt (BGH TranspR 2004, 399). Für eine Heranziehung von § 425 Abs. 2 HGB ist jedoch nur dann Raum, wenn den Geschädigten ein gravierendes Verschulden trifft (OLG Köln NJW-RR 2005, 1487; Koller, a.a.O., § 435 HGB Rn. 19 a).

39

Ein gravierendes Verschulden der Versicherungsnehmerin der Klägerin ist gegeben. Da die Klägerin das Urteil nicht angegriffen hat, ist die landgerichtliche Entscheidung insoweit in Rechtskraft erwachsen. Im Übrigen teilt der Senat die Ansicht, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Verpackungsmangel, der eine gefahrlose Be- bzw. Entladung des Transportguts über das Heck des Lkws nicht zulässt, wegen der sehr beträchtlichen Ausmaße des Packstücks, dessen Länge die Breite des Lkws bei weitem übersteigt, um eine grobe Pflichtwidrigkeit handelt.

40

Auch nach dem Dafürhalten des Senats wiegen die Verursachungs- und Verschuldensbeiträge beider Seiten in etwa gleich schwer. Der Sachverständige hat gegen diese Sichtweise keine Bedenken erhoben (S. 3 des Protokolls vom 19.01.2011).

8.

41

Ansprüche der Klägerin sind nicht verjährt.

42

Weil der Beklagten ein qualifiziertes Verschulden zuzurechnen ist, verjährt der Schadensersatzanspruch in 3 Jahren (§ 439 Abs. 1 S. 2 HGB). Das Gut wurde am 22.08.2007 abgeliefert (Anlage StV 1), an diesem Tag begann die Verjährungsfrist zu laufen (§ 439 Abs. 2 S. 1 HGB). Verjährung wäre dann frühestens Ende August 2010 eingetreten. Vorher wurde die Verjährung durch Klageerhebung vom 26.01.2009 (Bl. 20 d.A.) gehemmt, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB.

III.

43

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Legt – wie hier – allein die Nebenintervenientin ein Rechtsmittel ein, ergeht die Kostengrundentscheidung allein ihr gegenüber (OLG Köln NJW-RR 1994, 1052; OLG Celle OLGR 1996, 84). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

44

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Fragen von einer über den vorliegenden Einzelfall hinausgehenden Bedeutung sind nicht ersichtlich. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht.

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